Rauchwarnmelder
Endgültig: Gesetzliche Krankenkassen müssen Rauchwarnmelder mit optischer Signalisierung für Hörgeschädigte bezahlen
Das ist schon eine kleine Sensation: Seit September 2012 galt das Urteil des Landessozi-algerichts Hamburg als "in Stein gemeißelt", nach dem die "Gefahrenabwehr durch Wahrnehmung eines Rauchwarnmelders ... in den privaten Bereich der allgemeinen Vorsorge für Risiko- und Gefahrensituationen" fällt. Dementsprechend lehnte das LSG seinerzeit eine Leistungspflicht der Krankenkasse für Rauchwarnmelder im Falle eines gehörlosen Klägers ab. Der Richter war sich seines Urteils dabei so sicher, dass er eine Revision (Berufung vor dem Bundessozialgericht) gegen sein Urteil erst gar nicht zuließ. Das ließ die Szene der Hörgeschädigten damals dermaßen ratlos zurück, dass sie - trotz der Dürftigkeit und teilweisen absurden Mutwilligkeit der Urteilsbegründung - die Nichtübernahme der Kosten für Rauchwarnmelder ab sofort als "rechtlich gesetzt" annahm.
Diesem Treiben verpasste das Bundessozialgericht jetzt eine schallende Ohrfeige. Auf Antrag des Klägers ließ es nicht nur die Revision zu. Sondern "änderte" - so die Sprache des Gerichts - das Urteil des LSG dahingehend, dass sich jetzt genau das Gegenteil ergibt: "... und die Beklagte [das ist die Krankenversicherung, Anm.d.Red.] [wird] verurteilt, den Kläger mit zwei Rauchwarnmeldern für Gehörlose zu versorgen."
Dass es sich aus Sicht des Bundessozialgerichts um eine Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung handelt, zeigt die ausführliche, ins Detail gehende Begründung des Urteils. Die lässt sich allerdings letztlich in zwei Sätzen zusammenfassen: "Diese Geräte dienen einem grundlegenden Sicherheitsbedürfnis, sind in mittlerweile dreizehn von sechzehn Bundesländern bauordnungsrechtlich vorgeschrieben und ermöglichen gehörlosen Versicherten (...) ein von fremder Hilfe unabhängiges selbstständiges Wohnen. Damit ist ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen."
Norbert Böttges, DSB Landesverband NRW
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Unser Dank gebührt dem Kläger Horst-Peter Scheffel, der Rechtsanwältin Judith Hartmann und ihren Unterstützern
Der Kläger und seine Rechtsanwältin haben auch einen Namen: Horst-Peter Scheffel heißt der gehörlose Kläger, der über drei Jahre sein - und unser - Recht erstritten hat. Seine Rechtsanwältin war die Fachanwältin für Sozialrecht Judith Hartmann. Beide aus Hamburg.
Diesen beiden und ihren Hamburger Unterstützern gebührt unser großer Dank. Denn eines hat sich in der Vergangenheit wiederholt erwiesen: Alle Überlegungen, Argumente, Memoranden und Klagen der Selbsthilfe und Fachverbände laufen ins Leere, wenn eine interessegeleitete Gesetzesauslegung von Versicherungsträgern und durchaus auch unteren und mittleren Gerichtsinstanzen es anders will. Am Ende hilft nur ein trockenes, höchstrichterliches, im Einzelkampf erstrittenes Urteil, um die ins Kraut schießende Sachbearbeiterphantasie in ihre Schranken zu weisen. Das ist nun in dieser Angelegenheit von für uns Betroffene durchaus wesentlicher Bedeutung geschehen.
Gut kann ich mir die Ratlosigkeit der Klagepartei vorstellen, als sie vom Landessozialgericht mit einer dermaßen schrägen Argumentation selbstsicher abgebügelt wurde. Gut, dass sie an dieser Stelle nicht aufgegeben, dass sie weitergemacht haben. Die Menschen mit Hörschädigung in Deutschland dürfen es ihnen danken.
Norbert Böttges